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Einzelne Themen ausführlich

Sensorgröße und Auflösungsvermögen der Objektive

Je kleiner der Sensor ist, desto größer muss das Auflösungsvermögen der Objektive sein, damit ein auf gleiche Abmessungen vergrößertes Bild aufgenommen mit dem gleichen Bildwinkel aus gleicher Entfernung gleich detailliert ist wie bei einem größeren Sensor. Als Faustregel gilt, das Objektiv sollte um den Cropfaktor mehr auflösen als ein Objektiv für einen größeren Sensor, falls die Auflösung – die Pixelanzahl des kleineren Sensors – gleich ist. Ist der Cropfaktor 2 und das Objektiv für den größeren Sensor löst 100 Linienpaare pro Millimeter auf, sollte das Objektiv für den Sensor mit Cropfaktor 2 200 Linienpaare pro Millimeter auflösen. Umgekehrt braucht ein Objektiv für einen größeren Sensor um den Cropfaktor weniger auflösen.

Im Folgenden erkläre ich das. Dieser Artikel beruht alleine auf meinen Überlegungen und Schlussfolgerungen. Ich korrigiere diesen gerne, sollte ich mich irren.

Praxisszenario

Ich gehe davon aus, dass wir das gleiche Bild mit Kameras unterschiedlich großer Sensoren fotografieren, beispielsweise einmal mit einer Vollformat-Kamera, ein anderes Mal mit Micro Four Thirds-Kamera.

Ein wesentlicher Faktor bezüglich der Bildgestaltung ist der Abstand, aus dem ich fotografiere. Es ist nicht egal, ob ich mein Hauptmotiv aus geringer Entfernung mit einem Weitwinkelobjektiv fotografiere oder aus größerer mit einem Teleobjektiv, da sich durch unterschiedliche Aufnahmeabstände die Perspektive ändert und außerdem durch verschiedene Bildwinkel mehr oder weniger vom Hintergrund abgebildet wird.

Das ist mit der Hauptgrund, weshalb bei Kameras mit anderen Sensorgrößen häufig die Brennweite angegeben wird, die bei Vollformat etwa den gleichen Bildwinkel erzielt.

Porträts beispielsweise werden bei Vollformat gerne mit Brennweiten um 90 mm fotografiert (Prinzipiell lassen sich Porträts mit allen Brennweiten fotografieren. Ich sollte nur gezielt beispielsweise ein 35 mm-Objektiv benutzen statt eines mit 90 mm.). Das beruht darauf, dass ich einen günstigen Abstand zur Porträtierten habe: Nicht zu nahe dran, dass beispielsweise die Nase unnatürlich groß abgebildet wird und nicht zu weit weg, sodass der menschliche Kontakt zur Porträtierten schwieriger ist. Außerdem ist der Bildwinkel so, dass nicht allzu viel störender Hintergrund abgebildet wird. Fotografiere ich mit einer Kamera, die einen kleineren Sensor hat, will ich ein Objektiv, das den gleichen Bildwinkel erzielt. So habe ich den gleichen Abstand zum Model und bilde den gleichen Hintergrund ab. Konkret ist das die Vollformat-Brennweite dividiert durch den Cropfaktor. Eine Micro Four-Thirds-Kamera beispielsweise hat den Cropfaktor 2. 90 mm durch 2 sind 45 mm. Würde ich ein 90 mm-Objektiv an einer Vollformat-Kamera benutzen, wähle ich für eine Micro Four-Thirds-Kamera ein 45 mm-Objektiv. Bezüglich der Schärfentiefe ist zu bedenken: Ich muss am Micro Four-Thirds-Objektiv die halbe Blendenzahl einstellen für die gleiche (geringe) Schärfentiefe (wegen des Bokehs), also Blende 2 statt Blende 4 am Vollformat-Objektiv.

Die Konsequenz ist: Der Abbildungsmaßstab ist um den Cropfaktor kleiner. Sie können das gerne nachrechnen. Benutzen Sie den Abbildungsmaßstab-Rechner und geben eine ausreichende Entfernung ein, z.B. die 100-fache Brennweite. Ist ein 50 mm-Objektiv auf 5 m eingestellt, beträgt der Abbildungsmaßstab rund 0,01 (rund 1:100). Bei einem 25 mm-Objektiv wird alles in 5 m Entfernung rund 0,005 mal kleiner abgebildet (Abbildungsmaßstab rund 1:200).

Der Abbildungsmaßstab ist alleine eine Funktion von Brennweite und Entfernung zum Motiv. Die Sensorgröße hat keinen Einfluss.

Auflösungsvermögen

Das Auflösungsvermögen besagt, wie nahe zwei Objektdetails entfernt sein dürfen, damit diese noch getrennt wiedergegeben werden. Für Tests benutzt man Linienpaare pro Millimeter. Die Abbildung unten veranschaulicht das.

Abbildung: Linienpaare.

Die Linienpaare pro Millimeter werden im Bild gemessen. Dazu wird ein Testchart abgebildet mit Linienpaaren unterschiedlicher Anzahl pro Millimeter (Ortsfrequenz). Es ist bekannt, wie viele Linienpaare pro Millimeter auf dem Testchart selbst sind. Nun suche ich in der Abbildung jene Linienpaare, die gerade noch getrennt abgebildet werden. Durch Multiplikation der Linienpaar-Anzahl des Testcharts mit dem Kehrwert des Abbildungsmaßstabs erhalte ich das Auflösungsvermögen.

Ist der Abbildungsmaßstab beispielsweise 1:100, beträgt dessen Kehrwert 100:1 = 100. Stelle ich fest, dass 1 Linienpaar pro Millimeter (Lp/mm) auf dem Testchart gerade noch getrennt im Bild ist, so habe ich 1 Lp/mm × 100 = 100 Lp/mm im Bild, da jeder Millimeter des Testmotivs 100 mal kleiner abgebildet wird, also als 1/100 mm. Das Auflösungsvermögen des Objektivs ist bei der eingestellten Blende somit 100 Linienpaare pro Millimeter.

Erforderliches Auflösungsvermögen bei kleineren Sensoren

Ich bleibe beim Beispiel: Statt eines Vollformatsensors soll ein Micro Four-Thirds-Sensor benutzt werden. Dieser hat den Cropfaktor 2. Das heißt, für das gleiche Bild aufgenommen aus dem gleichen Abstand benutze ich die halbe Brennweite. Diese bildet alles nur halb so groß ab. Statt des Abbildungsmaßstabs 1:100 habe ich nun den Abbildungsmaßstab 1:200. Das Linienpaar pro Millimeter des Testcharts wird nun auf 1/200 mm abgebildet. Das Objektiv muss demnach 1 Lp/mm * 200 = 200 Lp/mm auflösen. Andernfalls habe ich nur "Matsch", wo das Vollformat-Objektiv noch Details zeigt.

Da der Abbildungsmaßstab bei "üblichen" Aufnahmen, das heißt Nicht-Nah- und Makroaufnahmen, bei gleicher Entfernung zum Motiv ungefähr linear zur Brennweitenänderung ist, muss die Auflösung linear um den Cropfaktor größer sein, damit das Bild bei kleineren Sensoren den gleichen Detailreichtum hat wie bei größeren Sensoren.

Bei kleinen Vergrößerungen, beispielsweise für aktuelle "Website-Bilder", mag eine unzureichende Auflösung nicht auffallen. Mit zunehmender Vergrößerung wird der Qualitätsunterschied sichtbar. Als zunehmende Vergrößerung zählen auch Bildausschnitte, da diese in der Regel stärker vergrößert werden als das komplette Sensorbild.

Auflösung des Sensors (Pixelgröße)

Bedingt durch die Pixelgröße limitiert der Sensor das Auflösungsvermögen. Ein Linienpaar kann nicht näher beieinander sein als zwei Pixel. Beispiel: Der Sensor der Micro Four-Thirds-Kamera Olympus OM-D E-M5 liefert Bilder mit 4608 × 3.456 Pixel. Die Längsseite des Sensors misst 17,3 mm. Demnach misst ein Pixel 17,3 mm/4.608 = 0,00375434027778 mm ≈ 3,75 µm (Mikrometer, millionstel Meter). Vorausgesetzt wird, dass alle Pixel gleich groß sind und quadratisch. Wie viele Pixel auf einem Millimeter sind, kann ich leichter ausrechnen: 4.608 px/17,3 mm ≈ 266 px/mm. Das minimale Linienpaar belegt 2 Pixel, einer für eine schwarze Linie und einer für eine weiße. Somit können maximal 266/2 = 133 Linienpaare pro Millimeter abgebildet werden. Objektive, die mehr als 133 Linienpaare pro Millimeter auflösen, führen nicht zu mehr Detailreichtum.

Umgekehrt gilt: Objektive mit geringerer Auflösung nutzen nicht die Möglichkeiten des Sensors aus. Anders ausgedrückt: Ein Sensor mit höherer Auflösung resultiert nicht in Bildern mit mehr Details, falls das Objektiv nicht mindestens so hoch auflöst wie der Sensor. Hat z.B. eine Vollformatkamera einen 60 Megapixel-Sensor, brauche ich auch Objektive, die eine entsprechend hohe Auflösung haben, damit die 60 Megapixel detailreichere Bilder ergeben als beispielsweise 30 Megapixel.

Elmar Baumann, 25.04.2019.

Letzte Bearbeitung: 23.11.2021.