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Kommentare (Essays)

Der Wert der Ausrüstung

Öfter las ich, ein guter Fotograf könne mit jeder Kamera gute Bilder fotografieren. Das ist – eingeschränkt – richtig, aber bedeutet nicht, Kamera und Ausrüstung seien egal.

Eine gute Ausrüstung garantiert keine guten Bilder. Kauft jemand eine hochwertige Ausrüstung mit der Absicht, besser zu fotografieren und unternimmt sonst nichts, fotografiert wie bisher, sind seine Bilder wie immer gestaltet. Die Kamera verändert nicht den Standort, das Licht, den Zeitpunkt, die Gestaltung. Abgesehen von der Bildgestaltung ist die Fotoausrüstung wichtig.

Sie bestimmt, was ich fotografieren kann und was nicht. Ohne lange Teleobjektive lassen sich aus der Distanz scheue Tiere nicht ausreichend groß fotografieren und ohne Lupenobjektiv am Balgengerät kein 10-fach vergrößerter Ausschnitt eines Schmetterlingsflügels. Ist der Autofokus lahm und die manuelle Scharfeinstellung schlecht zu benutzen, vergeude ich meine Zeit mit dem Fotografieren von allem, was sich schnell bewegt.

Die Ausrüstung bestimmt die technische Qualität der Bilder. Es ist ärgerlich, ist ein gut gestaltetes Bild flau und unscharf wegen eines schlechten Objektivs.

Die Ausrüstung bestimmt, wie präzise und bequem ich arbeiten kann. Wie jeder Arbeitende wählt der Fotograf Handwerkszeug, das seine Anforderungen erfüllt und mit dem er gut arbeiten kann. Er wird nicht ohne Zwang Kompromisse eingehen. Wer einmal mit einer Ausrüstung fotografierte, die das Arbeiten erleichterte oder erst ermöglichte und die bessere Ergebnisse lieferte, wird zukünftig mit etwas schlechterem nur arbeiten, falls es sein muss. Einfach formuliert: Spielt Geld keine Rolle, ist es ist dumm, etwas zu benutzen, das die Arbeit erschwert, schneller kaputt geht und schlechtere Ergebnisse liefert.

Ungeeignetes Werkzeug hält ab vom Fotografieren. Mich hielt eine digitale Sucherkamera lange fern von der Digitalfotografie. Ich hatte keinen Spaß mit ihr, sie schränkte die Motivwahl arg ein und passte nicht zu meiner Arbeitsweise. Für mich hat eine Kamera sich einzufügen, darf mich nicht lange beschäftigen und ablenken vom Motiv.

Ein weiteres Beispiel: Ich habe kein Fotostudio. Einen anderen Raum zeitweise "umzufunktionieren" ist aufwändig und unbefriedigend, da Wohnräume meist zu klein sind, Einrichtungsgegenstände im Weg stehen und die Beleuchtung ungünstig beeinflussen, mir Zubehör fehlt wie abrollbarer Hintergrund und Studioblitzgeräte mit Lichtformern. Deshalb verzichte ich auf die Studiofotografie. Anders wäre es vermutlich, hätte ich einen großen Raum, der nur diesem Zweck dient, der nicht um- und aufgeräumt werden muss, in dem das erforderliche Zubehör bereits am richtigen Platz steht und dieses nicht nach dem günstigsten Preis ausgesucht wurde, sondern danach, dass es qualitativ hochwertig ist und die Arbeit damit leicht fällt.

Ich habe Anforderungen an Ausrüstung und Bildqualität. Werden diese nicht erfüllt, bin ich nicht zufrieden und verzichte aufs Fotografieren.

Ich halte es für eine gute Strategie – sofern möglich, die Arbeitsweise der Fotografen zu studieren, deren Bilder gefallen: Wie fotografieren sie? Dazu gehört auch die Ausrüstung, die sie benutzen. In den meisten Fällen haben die Fotografen gute Gründe, genau jene Ausrüstungsgegenstände zu benutzen, haben diese bedacht ausgewählt und jeder Ausrüstungsgegenstand ist nicht problemlos durch einen alternativen zu ersetzen, besonders nicht durch einen mit geringerer Qualität.

Ich glaube, die Aussage am Anfang des Artikels – ein guter Fotograf könne mit jeder Kamera gute Bilder fotografieren – ist aus Situationen wie diesen entstanden: Kürzlich zeigte ich einige meiner Bilder ausgedruckt auf DIN A3-Hadernpapier. Das Fotografieren und Berarbeiten der RAW-Dateien kostete Mühe und erforderte Wissen, kurz: (persönlichen) Einsatz. Der erste Kommentar zu den Bildern war: "Ich müsse eine gute Kamera haben", da alles so klar und scharf ist. Das ist nicht, was ein Fotograf hören möchte, er setzt technische Qualität als so selbstverständlich voraus wie ein Schriftsteller korrekte Rechtschreibung und Grammatik. Sicher ist die Bildqualität besser als jene, die eine Kamera liefert, die weniger als das Objektiv kostet, mit dem das Bild entstand, doch ohne Wissen, Talent und Einsatz nützt die beste Ausrüstung nichts. Analog dazu könnte der eine oder andere Hobbyfotograf ohne viel Wissen und mit einfacher (billiger) Ausrüstung meinen, mit der gleichen Ausrüstung, wie sie ein Profi hat, gelängen ihm bessere Bilder. Jemand ohne Kenntnis weiß nicht, wieviel Wissen und Arbeit notwendig sind, bestimmte Resultate zu erzielen, egal ob in der Fotografie oder anderswo. Statt einfacher Aussagen, die zu falschen Schlüssen führen könnten ("die Ausrüstung ist unwichtig"), sollte erklärt werden, wie ein Bild zustande kam oder auf eine Erklärung verzichtet, falls das nicht interessiert oder geantwortet: "Das Können des Fotografen ist ebenso wichtig wie die Ausrüstung".

Die Ausrüstung ist Teil des Gesamten, des Fotografierens, des Bilds. Jeder Teil ist von Bedeutung.

Elmar Baumann, 29.04.2006

Letzte Bearbeitung: 28.08.2010

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